Provenienz und Kulturgutschutzgesetz

Berlin - Die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien stellt die Pflichten von uns Antiquaren im Rahmen der Provenienzklärung unserer Waren vor. 


(c) Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien


Die Vorsitzende des Verbandes Deutscher Antiquare, Sibylle Widuwilt erklärt: "Wichtig ist, dass das BKM anerkennt, dass es im Handel mit Büchern und Grafiken zahlreiche Exemplare gibt, die keinerlei Individualisierungsmerkmale aufweisen."

Im "Merkblatt" der Behörde heißt es:

"Merkblatt zu den Anforderungen an die Sorgfaltspflichten
für den gewerblichen Antiquariatshandel und den Handel mit Grafiken
Die Sorgfaltspflichten des Kulturgutschutzgesetzes für das gewerbliche
Inverkehrbringen von Kulturgut beinhalten insbesondere:

1. Name und Anschrift des Veräußerers, des Einlieferers, des Erwerbers oder
des Auftraggebers festzustellen,

2. eine Beschreibung und eine Abbildung anzufertigen, die geeignet sind, die
Identität des Kulturgutes festzustellen,

3. die Provenienz des Kulturgutes zu prüfen,

4. Dokumente, die eine rechtmäßige Ein- und Ausfuhr belegen, zu prüfen,

5. Verbote und Beschränkungen zur Ein- und Ausfuhr sowie zum Handel zu
prüfen,

6. zu prüfen, ob das Kulturgut in öffentlich zugänglichen Verzeichnissen und
Datenbanken eingetragen ist, und

7. eine schriftliche oder elektronisch übermittelte Erklärung des Einlieferers oder
Veräußerers einzuholen, dass dieser berechtigt ist, über das Kulturgut zu
verfügen.

Diese Anforderungen gelten allerdings nur, wenn es sich um ein Werk handelt,
dessen Einzelwert 2.500 Euro übersteigt.

Die Erfüllung der Punkte 3 bis 6 ist dabei von vornherein auf den wirtschaftlich
zumutbaren Aufwand beschränkt. Der Aufwand ist also in Verhältnis zu setzen
zum Wert des Gegenstandes und zur erwarteten Handelsspanne. Nur wenn
Hinweise auf einen NS-verfolgungsbedingten Entzug oder einen anderen
Tatbestand des § 44 KGSG bestehen, sind die Anforderungen unabhängig vom Wert des Objektes und dem erforderlichen Aufwand zu erfüllen.
Die Anforderung an die Prüfung der Provenienz (Punkt 3) erfordert insbesondere
nicht den Nachweis einer lückenlosen Provenienzkette. Es handelt sich um eine
Prüfung, d.h. sofern in wirtschaftlich zumutbaren Rahmen keinerlei Erkenntnisse
erlangt werden, genügt die Dokumentation der Bemühungen und darf das Objekt
auch ohne vollständigen Nachweis der Provenienzkette in Verkehr gebracht werden.

Bei einem antiquarischen Buch, einer Druckgrafik (Lithographien, Radierungen,
Holzschnitte oder Serigraphien) bzw. Land- oder Weltkarte (zusammen: „Grafik“)
unterscheiden sich die Anforderungen an die Erfüllung der gewerblichen
Sorgfaltspflichten zunächst danach, ob eine besondere Individualisierung
erkennbar ist (ex libris, besonderer Einband, Eigentumsstempel, Name eingetragen, handschriftliche Randnotizen, Sammlungsstempel, Nummerierung etc.) oder nicht:

Bücher und Grafiken mit einer besonderen Individualisierung - ob in großer oder
in kleiner Auflage - werden als Einzelstücke behandelt. Hier ist die konkrete
Provenienz des in Rede stehenden Buchs („Einzelprovenienz“) im Rahmen des
wirtschaftlich zumutbaren Aufwands zu prüfen.

Hat ein Buch oder eine Grafik keine Individualisierungskennzeichen und ist es in
großer Auflage vorhanden, beschränkt sich die Provenienzprüfung auf die Prüfung
der sog. „Gruppenprovenienz“. Das heißt, geprüft und dokumentiert werden muss
- im Rahmen des wirtschaftlich zumutbaren Aufwands - die Zugehörigkeit zur (ggf.  Erst-) Auflage (einschließlich Urheberschaft), Erscheinungsjahr und -ort sowie die Feststellung, dass kein besonderes Individualisierungskennzeichen vorhanden ist.

Eine weitergehende individuelle Prüfung entfällt.

Hat ein Buch keine Individualisierungskennzeichen und ist es nur in sehr
geringer Auflage vorhanden bzw. ist weltweit nur eine geringe Anzahl dieser
Auflage verblieben, gilt:

Je geringer die Zahl der noch vorhandenen Exemplare, desto höhere
Anforderungen bestehen - im Rahmen des wirtschaftlich zumutbaren Aufwands -
an die Bemühungen zur Prüfung der Einzelprovenienz. Weil eine „positive“
Provenienzprüfung bei einem Buch, einer Grafik oder Landkarte ohne besondere
Individualisierungskennzeichen jedoch nicht zu bewerkstelligen ist, genügt in
derartigen Fällen auch eine Negativabgrenzung, durch die jedenfalls ausgeschlossen wird, dass das fragliche Exemplar mit einem abhandengekommenen Exemplar identisch ist.

Ist eine Negativabgrenzung über die Recherche in öffentlich zugänglichen
Verzeichnissen und Datenbanken (Lost-Art-Datenbank unter www.lostart.de und
Internetdatenbank von Interpol zu gestohlenen Kulturgütern
(freier Zugang, vorherige Registrierung erforderlich unter:
https://www.interpol.int/Forms/WorksOfArtDatabase)) hinaus mit einem zumutbaren wirtschaftlichen Aufwand [Hervorhebung: CS] ebenfalls nicht erbringbar, darf das Kulturgut gehandelt werden.

Beispiel: Ein Buch wurde 2004 aus einer ausländischen Bibliothek gestohlen,
wo es Jahrzehnte verwahrt wurde. Lässt sich feststellen, dass das in Frage
stehende vergleichbare Exemplar bereits 2002 in Deutschland verkauft wurde
(dort hat es z.B. der aktuelle Verkäufer erworben), genügt dies als
Negativabgrenzung („negative Provenienz“).

Einen Überblick über die dargestellten Anforderungen bietet das Schaubild „Prüfung der Provenienz eines antiquarischen Buches oder einer Grafik nach KGSG“.

Weitergehende Hinweise zu den Anforderungen an die Prüfung der Sorgfaltspflichten beim gewerblichen Inverkehrbringen von Kulturgut erhalten Sie im „Leitfaden für die Einfuhr von Kulturgut nach Deutschland und die Sorgfaltspflichten beim Inverkehrbringen von Kulturgut“.
Das Schaubild „Welche Sorgfaltspflichten habe ich beim gewerblichen
Inverkehrbringen von Kulturgut nach dem KGSG zu berücksichtigen?“ verdeutlicht zusammenfassend, aus welchen Vorschriften sich im konkreten Fall die Anforderungen an die Sorgfaltspflichten ergeben."

Stand: Februar 2019

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