Aus dem Arbeitszimmer ins Antiquariat und wieder zurück - die Wege des Antiquariats Beutler

Bremen - In der Bremer Schildstraße wirkt quasi im Verborgenen der Antiquar Edgar Beutler, der sich uns hier vorstellen wird.


Sagen Sie mal, lesen Sie eigentlich?


"Als ich vor Jahren in einem Antiquariat, das vor allem Bücher nach 1945 führte, einen Job annahm, hielt ich diese Arbeit für eine anziehende Zwischenlösung, die den Vorteil bot, mich ganz nahe an die Bücher zu bringen, die ich mir nicht leisten konnte und all die Bücher, von denen ich nur gehört hatte und die ich jetzt bekommen konnte: denn ich war der Erstsichter und es lag an mir, mich für oder gegen sie zu entscheiden. Und sollte ich von mir gemeint haben - wenn ich ein Buch ins Schaufenster legte - dass ich zu den wenigen gehörte, die dieses oder jenes Buch lasen, so konnte ich sehen, dass das erfreulicherweise nicht stimmte, denn sie wurden schnell wieder aus dem Schaufenster gepflückt und zu mir, der ich an der Kasse stand, gebracht. Tolles Erlebnis. Aus der Passion mitten in den Umtrieb."

Kann man von dieser Arbeit überhaupt leben?

"Tatsächlich konnte man von dieser Arbeit seinen Lebensunterhalt bestreiten, das hatte ich nicht recht glauben wollen. Ich machte mich schnell selbständig, entschloß mich, neben Kunst, Philosophie und eben der schönen Literatur, Kenntnisse für andere Gebiete zu erwerben, denn ich konnte mich ja nicht immer nur wärmen und den Neigungen nachgeben – tatsächlich wollte ich nichts mehr sein als ein Neigungs-Antiquar. Viele der Bücher, die ich später ankaufte, wurden älter und ehrerbietiger, das Sortiment breiter; wenn es auch dauerte. Die Vorstellung, eine Bibliothek zu beherbergen und zu betreuen, dann die Bücher wieder ziehen zu lassen, nachdem sie durch meinen Besitz gelaufen sind und mich neuen zuzuwenden, ist betörend genug. Die Verfügbarkeit, an ein Regal zu wandern, manchmal wild zu lesen, zuweilen zu flanieren im Text und schließlich sich einzulesen, ist neben der Nüchternheit des Geschäftsalltags ein bleibender Euphemismus.
Wenn ich auch die Tätigkeit mit Fleiß und Mühe zu dem zu machen hatte, was nach meinen Begriffen, „Arbeit“ war, es blieb eine Tätigkeit, die mir viel Zeit ließ und bei aller Ernsthaftigkeit des Handelns nicht an das heranreichte, was an Plackerei oder Mühsal erinnert. Natürlich: Sorgen, ob es reicht; öfter mal. Die Erwerbung von Fähigkeiten, die meinen Geschäftssinn stärken sollten, vernachlässigte ich auch noch.
Dass man also tatsächlich mit solchen Eigenschaften, als da sind: wenig Geschäftssinn, mit dem Habitat und dem Habitus des Lesers und einem zurückhaltenden Auftreten ein Geschäft durch 20 Jahre bringen kann, das ist ein starkes Argument für diesen Beruf und für mich Anlass zu frohem Sinn. Denn man kann sich das Geschäft so einrichten, wie es zu einem passt. Das ist der eigentliche Charme dieses Berufs, dass er die Individualität gestattet. Man muß sich nicht zurechtrücken und keine Berufsmontur anziehen. Die Stellenbeschreibung hinsichtlich Arbeitsinhalten, Zeitplanung und Zielen entwirft man eben selber. Und meine Homepage ist karg wie ein zertrümmerter Stein. Ich muss nicht so tun, als wollte ich mit der Zeit gehen oder als müßte ich. Ich hörte oft, dass meine Homepage meine Visitenkarte sein soll. Dann soll die Schlichtheit die Visite machen."


Sollte man nicht einen Laden haben?

"Aus dem Ladengeschäft zog ich mich nach 10 Jahren zurück. Kein Schaufenster mehr: schade. Vorbei das Vorführen der Bücher dem aufgeschlossenen Kunden: auch schade. Sich selbst aber das Absitzen von Öffnungszeiten ersparen mitsamt der Entrückheit von dem Treiben auf der Straße: Klasse!  Für das Quartier und die urbanen Flaneure bedeutet das Verschwinden eines Antiquariats ein Verlust an Ambiente, aber darüber hinaus halten sich die Verlustanzeigen in Grenzen.




Was den Ankauf betrifft, so bin ich ein Herumfahrender, der pflückt und manchmal gräbt. Wenn man für einen Ankauf mal vor einer Bücherwand steht, dann weiß man, dass man das Wissen mit sich herumträgt. Was ich nicht mache: Riesenmengen an Kisten aus Wohnungen tragen. Mit dem Rückzug aus dem Laden geht das. Es ist die freundliche  Stille zur Tätigkeit zurückgekehrt. Ich genieße das bis heute. Das Verschriftlichen des Gegenständlichen braucht eine gewisse Mentalität. Der Wechsel von Rückzug und Auszug, Einkehr und Auskehr ist mir sehr angenehm. Aber ganz anders, als man vielleicht denkt, verschafft das Pensum viele soziale Freiräume. Und Programmkinos, Theater, Kunsthalle sind auch noch in Laufweite. Das Grundgefühl, eigentlich immer die Zeit zu haben, die man verlangt, ist durch nichts zu toppen."


Antiquariat Beutler
Edgar Beutler
Schildstraße 1
28203 Bremen
Tel.: 0421 703005

www.Antiquariat-Beutler.de







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